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Tipp 17 - Den (unbekannten) Wartburg für ferne Reisen rüsten
Diese Tipps erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit bzw. Richtigkeit!
24
2007
Aus gegebenen Anlaß füge ich mal als eine Mixt(o)ur die Tipps ein, die ich gerade für jemanden aufgeschrieben habe, der sich vor kurzem zum ersten Mal einen Wartburg zugelegt hat, um mit ihm an einer Rallye von London nach Ulan Bator teilzunehmen. Und da das recht umfangreich war, dachte ich, warum sollte ich daß nicht gleich an dieser Stelle veröffentlichen?! Vielleicht nützt das dem einen oder anderen?
Antriebswellen
Vor der Reise unbedingt die Antriebswellen prüfen, Fettfüllung getriebeseitig erneuern und das Öl in den Gelenken radseitig wechseln. Sofern die Manschetten nicht porös sind und kein Spiel in den Wellen zu merken ist, braucht man dafür die Wellen auch nicht ausbauen.
Querlenker
Ebenfalls ist ein kritischer Blick (mit Schraubenzieher und Hammer) auf die hinteren Querlenker (Federtöpfe) wichtig. Nicht daß die nach fast 20 Jahren innerlich so morsch sind, daß unterwegs auf holpriger Straße so ein Topf ausbricht. Das passiert leider inzwischen wiederholt bei den in die Jahre gekommenen Fahrzeugen.
Flickzeug
Für die Reise würde ich mir auf jeden Fall Flickzeug, wie man es für Fahrradschläuche verwendet mitnehmen. So ein Schächtelchen kostet nicht viel und ist kleiner als eine Schachtel Zigaretten. Wofür? Nun, die 353'er Antriebswellen sind sehr robust und wartungsarm, Dank Ölfüllung. Geht jedoch eine Manschette unterwegs kaputt (ist das Öl schlagartig weg...), kann man zwar die innere wechseln, wenn man alles zerlegt, aber für die radseitigen Manschetten benötigt man einen Abzieher und wer verfügt schon über einen solchen unterwegs? In diesem Fall kann man sich eben mit diesem Flickzeug über viele 10.000km helfen. Ich spreche aus eigener Erfahrung.
Getriebeöl
Ich würde auch zuvor das Getriebeöl wechseln (SAE80). Wer weiß, wieviel und wie alt das alte ist?
Nadelventil
Ebenfalls halte ich es für ratsam, nicht nur bei einem fremden Fahrzeug zu wissen, wie verschlissen das Nadelventil des Schwimmers im Vergaser ist. Wegen einer solchen Kleinigkeit ist schon mancher stehengeblieben. Einfach Lächerlich, wenn's Unterwegs nicht ärgerlich wäre.
Bowdenzüge
App. Kleinigkeit, die wenigsten Leute ölen ihre Bowdenzüge innerhalb von 20 Jahren. Auch das würde ich (Gas, Handbremse, Choke) vorher prophylaktisch machen (Kupplungseil + Pedalwelle, sowie Handbremsseil = Fett). Ich hatte auch schon einen dauergasgebenden Motor, weil der Bowdenzug mitten auf einer Polenreise meinte festgehen zu müssen (als ich meinen ersten Wartburg hatte).
Kupplungsseil
Auf die Reise gehören mindestens 1 gut gefettetes Kupplungsseil. Leider sind die im Bogen verlegt und reiben sich (bei Staub und Dreck vielleicht noch mehr) in der Nähe der Pedale schnell kaputt. Man merkt das Aufspleißen am Rupfen des Pedals, wenn die Fransen in der Hülle blockieren.
Radlager
Vor der Fahrt alle Radlager prüfen. Leider sind die DDR-Lager nicht die langlebigsten. Auch hier empfehle ich eine vormontierte Radnabe (2 Lager + Simmering bereits in die Nabe eingesetzt und gefettet) mitzuführen. Man benötigt nur noch einen etwas gekürzten Inbusschlüssel und kann zumindest an der Hinterachse ohne weiteres ein defektes Lager gleich samt und sonders tauschen (Dauer ca. 30min, wenn die Teile sich freiwillig demontieren lassen):
- Bremstrommel ab,
- Steckachse lösen (Reservesplinte mitnehmen),
- Radmitnehmer von innen nach außen heraustreiben (Holz, Weichmetall),
- Radnabe lösen mit gekürztem Inbusschlüssel - Vorsicht, Bremsankerplatte hängt nur noch an der Bremshydraulik!,
- neue Radnabe montieren,
- alles zusammenstecken und festziehen, nach 10km kontrollieren.
Radaufhängungen
Ich schätze, die größte Belastung hat das Fahrgestell, nicht Motor oder Getriebe hinzunehmen. Aus diesem Grund würde ich persönlich empfehlen, eben die 4 Radaufhängungen penibel vorher zu untersuchen. Das ist eben das, was ich Eingangs meinte mit sein Fahrzeug kennen. ich weiß z.B. von meinem, daß ich jede Schraube ohne zu verzweifeln mit meinem einfachen Werkzeug lösen kann. Es gibt bei mir keine festgegammelten Kugelköpfe etc., an denen man sich seine Finger zu unpassender Zeit wund klopft, da ich alles regelmäßig zerlege und warte. Ich selbst würde vermutlich als Reisevorbereitung Teile des Fahrwerkes überholen, Schrauben übungsweise lockern (und natürlich wieder befestigen), Bremsen und Antriebe auseinandernehmen, um zu wissen, daß ich während der Fahrt keine Not bekommen werde. Das ist wie das Vorbereiten einer großen Rede vor zahlreichem Publikum, oder wie vor einer großen OP. Wer das dem Zufall überläßt.... ist vor Überraschungen nicht gefeit.
Lichtmaschine
Gerne geht die Lichtmaschine nach 10 Jahren klaglosem Dauereinsatz kaputt: Es bricht schlicht der Draht am Rotor, der die Schleifringe verbindet (sieht man kaum). Eine Reparatur ist im Grunde nicht einmal in der Heimat möglich. Einen solchen Anker kann man im Prinzip sogar hier wegschmeißen - obwohl ich auch das nicht mache. Passiert das unterwegs... Dumm, da hätte man gerne einen Ersatzanker in der Tasche (es muß ja keine Lima sein, kostet ja auch Gewicht und Platz). Meine Lima hat jetzt im übrigen etwa 8 Jahre gehalten, mehr als 160.000km. Die davor auch, gleicher Fehler...
Heizungstauscheranschluß
Materialermüdung am Heizungstauscheranschluß ist leider auch von Zeit zu Zeit Praxis. Aber den kann man unterwegs überbrücken.
Temperaturanzeige
Der Wartburg leidet rel. schnell an Hitze, dann heißt es Heizung an und ggf. Fenster auf. Manchmal ist es aber so, daß die Temperaturanzeige Übertemperatur meldet und in Wirklichkeit gibt es die nicht. In diesem Fall (jeder 2. Wartburg hat genau das Problem mehr oder minder ausgeprägt) sind die Masseverbindungen zwischen Batterie-Getriebe-Karosserie und auch Motor-Vergaser an Karosserie in einem so vergammelten Zustand, daß je nach Stromnetzbelastung die Widerstände an den Kontakten so hoch gehen (~20 - 30 Ohm), daß die Temperaturanzeige bei Einschalten der Beleuchtung z.B. ansteigt. Abhilfe und Klarheit schaffen hier die Beseitigung der Korrosion an den genannten Kabeln. Was will man von einem 20 Jahre alten Auto erwarten?
Wasserpumpen
Leider sind im Grunde alle Wasserpumpen betagter Wartburg-Fahrzeuge konstruktionsbedingt unterwegs kaum notzureparieren. Man kann die Teile vor lauter Korrosion schlicht und ergreifend nicht zerstörungsfrei zerlegen (siehe ausführlicher Beitrag dazu auf meiner HP). Hier hilft vermutlich nur Glück oder vorher eine Grunderneuerung, wie man das bei modernen Fahrzeugen ja auch mit dem Steuerriemen prophylaktisch macht. Wenn es erst einmal anfängt zu tropfen, ist es nicht mehr weit bis zum Ausfall. Eine neue Zylinderkopfdichtung sollte man in jedem Fall mitnehmen (und die paar kleinen anderen nehmen auch kein Platz weg). Mein letzter Motor hat ca. 190.000km gehalten, daß ist doppelt so viel, als der Hersteller vorgesehen hat! Die Wasserpumpe mußte in dieser Zeit 2-3 mal erneuert werden.
Benzinfilter
Ebenfalls sollte man seinem Wartburg einen Benzinfilter vor (!!) die Benzinpumpe (die einen völlig ungerechtfertigt schlechten Ruf hat) spendieren. Wer weiß schon, was an Rost, alter Farbe im Tank schwimmt und was man unterwegs so alles getankt bekommt! So ein Filter kostet kaum 2 Euro (am besten noch ein in Reserve) und man merkt gar nicht bewußt genug, wieviel Ärger man sich damit erspart hat.
2-Takt-Öl
Klar sollte man genug 2-Takt-Öl mitnehmen. Auf eine Tankfüllung (aus dem Kopf: hier nach ca. 420km, ~35l, fülle ich etwa 0,75l Öl in den Tank. Pi mal Daumen sind das 1:50 und ich verbrauche in der Regel zwischen 7 und 8l Sprit auf 100). Erst das Öl in den Tank, Sprit drauf und weiter geht die Fahrt. Man braucht keine Angst zu haben; es gibt viele Leute, die machen ein Brimborium um die Mixtur.... Ich fahre auf diese Weise schon mehr als 10 Jahre völlig sorgenfrei.
Zündanlage
Ebenfalls aus der Erfahrung durch meine zahlreichen E-Mail-Kontakte via meiner Homepage:
Erstaunlich, wie viele Leute massive Probleme mit Ihrer Zündanlage haben: "...ich habe schon alles gemacht, es geht trotzdem nicht..." Soll eigentlich heißen: habe keine Lust und suche nach der einen Schraube, die ein Viertel angezogen, alles von allein wieder neu macht....
Meine Empfehlung daher:
von vornherein - egal wie neu oder alt bei ihrem Wartburg - zusammen mit der Steini-KTZ drei neue Zündspulen, drei neue Kerzen, Kerzenstecker und Hochspannungskabel einbauen. Nehmen Sie die alten Dinger gerne mit. Auch das würde ich nicht dem Zufall überlassen, nach dem Motto: "bis gestern ging das noch, also muß es morgen auch noch gehen..."
Stellen Sie die neuen Kerzen auf 0,7mm Kontaktabstand, wenn Sie die neue Steini fahren!
Bremsen
Mir klar, daß Sie natürlich wenig Lust verspüren werden, eine Generaltour durch alle Verschleißteile Ihres Autos machen zu wollen, wenn Sie aber unterwegs keine Probleme in den Bergen haben wollen, sollten Sie selbstverständlich den Zustand Ihrer Bremsen kennen! Mindestens neue Bremsflüssigkeit gehört da rein. Es genügt, in Thüringen 8min einen steilen Berg herunterzufahren und die Bremsen werden so heiß, daß die alte hygroskopisch gewordene Flüssigkeit den Dienst quittiert und die Bremse nur noch ein schlechtes Beispiel unvernünftiger Fahrer ist. Schade, wer durch solche Sparsamkeit an der falschen Stelle sein und anderer Leben riskiert!
Bremsbeläge
Wenn die Bremsbeläge ausreichend sind, wird man diese kaum auf 20.000km abfahren denke ich. Meine jedenfalls sind anscheinend langlebig. Ich fahre auch relativ entspannt und defensiv.
Sicherungen
Leider ist durch die Anordnung der Sicherungen im Motorraum häufig eine Störung der elektrischen Anlage zu verzeichnen. Nichts ernstes, nur lästig. Die Sicherungen sind oft so korrodiert, daß die Beleuchtung mal hier, mal da einen Wackler hat. Eine kleine Messingdrahtbürste beseitigt schnell unterschiedliche Ansichten über leitend/ nichtleitend. Ersatzsicherungen (alte Bauform 8A, 16A mitnehmen, ebenfalls Scheinwerferlampen wegen der vielen unbeleuchteten nächtlichen Fremdnis).
Bremslichtschalter
Der hydraulische Bremslichtschalter hält bei mir so ca. 3 Jahre, habe ich festgestellt. In den letzten 10 Jahren habe ich ebenfalls etwa 3 Hauptbremszylinder "verbraucht" (komisch, daß die immer antipodisch ausfallen...). In meinem 17 Jahre alten Opel ist noch der erste drin....
Leselampen und Steckdosen
Leselampen und Steckdosen für 12V (und auch 230V~ via Transverter) kann man im Wartburg nie genug haben, habe ich festgestellt. Gerade auf solcher Pfadfinderstrecke ist die eine (alte) Handlampensteckdose links unter'm Armaturenbrett zu wenig.
Heizung/ Belüftung
Der Lüfter für die Heizung/ Belüftung macht im Grunde nur Geräusch, ist aber sonst wenig wirkungsvoll insbesondere bei beschlagenen Scheiben (Haushaltspapierrolle hat sich sehr bewährt, immer sauber, immer frisch! Nie dreckige Lappen - meine Frau ärgert sich darüber immer, ich weiß nicht wieso :-) ).
Scheibenwischwaschanlage
Beim Tourist braucht man zwingend eine funktionierende Scheibenwischwaschanlage an der Heckklappe. Sobald es regnet, sammelt sich schnell Dreck hinten und man sieht nichts mehr!
Ihling
Ein Ihling "Wie helfe ich mir selbst" gehört unbedingt mit auf die Reise!
Wolldecken
Mehrere Wolldecken o.a. und man kann herrlich auch als 2m-Riese im "Hotel Wartburg" schlafen, wie ich meinen Warti oft bezeichne. Man muß nur den Untergrund etwas auspolstern (hintere Sitzbank um 180° nach vorn umklappen). Nie war ein Auto gemütlicher (vielleicht der Ford Granada Kombi).